Sport-Welt: Historische Mondfahrt - Was für eine Derby-Gala!

Historische Mondfahrt

Mehr als 20.000 Besucher sind am Sonntag im IDEE 145. Deutschen Derby Augenzeuge eines nur atemberaubend zu nennenden Ereignisses geworden, das dem hiesigen Turf aller Voraussicht nach einen neuen Weltstar beschert hat. Sea The Moon, dieser Hengst, über den so viel geredet worden ist, ist mit einer Vorstellung wie von einem anderen Stern der 145. Derbysieger des deutschen Rennsports geworden und hat europaweit die Experten aufhorchen lassen.

Mit sage und schreibe elf Längen Vorsprung deklassierte Sea The Moon die von Lucky Lion und den stark laufenden Außenseitern Open your Heart und Eric angeführte Konkurrenz und hätte den historischen Rekord von Orofinos zwölfdreiviertel Längen Vorsprung locker geknackt. Wenn Christophe Soumillon im Sattel es gewollt hätte. Er entschied sich weit vor dem Ziel fürs Austrudeln lassen, viel zu weit war Sea The Moon da ganz an der Außenseite schon voraus. Sea The Moon bekommt von Handicapper Harald Siemen die beste Marke eines Derbysiegers seit Acatenango, aber zu dessen Zeit waren die Einschätzungen allgemein noch ganz andere. „So etwas habe ich noch nicht gesehen, und ich gehe lange zur Rennbahn“, waren die Worte, die Siemen gut zwei Stunden nach dem Rennen wählte. Man darf sich freuen auf dieses Pferd bei den nächsten Bewährungsproben, im Longines Großer Preis von Baden und demPrix de l’Arc de Triomphe in Paris.

Was für eine Derby-Gala!

Das, was sich im Finale des mit 650.000 Euro dotierten und natürlich zur Gruppe I zählenden 145. IDEE Deutschen Derby abspielte, war so eindrucksvoll, dass man es im Grunde auf Anhieb gar nicht realistisch einzustufen vermochte. Wie ein Pferd von einem anderen Planeten - vermutlich hat man es schon bei der Namensgebung gewusst – stieg der von Markus Klug für das Gestüt Görlsdorf trainierte 28:10-Derbyfavorit Sea The Moon zu einem der überlegensten Derby-Sieger in der langen Geschichte des „Blauen Bandes“ auf. Obschon sein Steuermann praktisch schon auf halber Gerade alle reiterlichen Aktivitäten einstellte und sich für die Fotografen positionierte, notierte der Richter am Pfosten „hochüberlegen elf Längen Vorsprung.“

Eine Demonstration

Die Wortpalette von Superlativen wird gerade in der Sportberichterstattung reichlich strapaziert, doch nach dem, was der Sea The Stars-Sohn aus Görlsdorf auf den Rasen der Horner Rennbahn zauberte, griffen alle Journalisten zu Recht in die hohe Kiste der Superlative. Dass Sea The Moon den vor dem Derby nach rechnerischer Elle zur Nummer eins eingestuften Mehl-Mülhens-Sieger Lucky Lion deklassierte, macht die Sache so richtig rund. Wer jetzt noch das Haar in der Suppe sucht und die dritt- und viertplatzierten Open your Heart oder Eric als Gegenargument liefert, dass diese Leistung doch nicht so viel wert sein dürfte, der steht im Abseits. Handicapper Harald Siemen verkündete bereits am Sonntagabend, dass Sea The Moon die höchste Marke seit Acatenango erhalten werde.

Sofort bestens platziert

Nach dem Motto: „Was stört mich der Startplatz, ich bin nach dreihundert Metern genau dort, wo ich hin will“, ging Christophe Soumillon ins 145. IDEE Deutsche Derby. Als es erstmals an den vollbesetzten Rängen vorbei ging, führte der Riesenaußenseier Karltheodor das 18-köpfige Derbyfeld – Born To Run und Chartbreaker waren am Morgen abgemeldet worden – an. Dahinter hatte sich an der Innenseite auch der zweite Favorit, Lucky Lion unter Ioritz Mendizabal eingereiht. Es folgten Wild Chief und Swacadelic und somit die beiden Pferde, die bei der Ersteinblendung der Eventualquoten neben Sea The Moon und Lucky Lion unter 100:10 notierten. Amazonit, der irische Gast Geoffrey Chaucer, Baltic Storm, Giant’s Cauldron, Russian Bolero und Weltmacht galoppierten in den weiteren Positionen, Open your Heart bildete das Schlusslicht. Bevor es noch in den ersten Bogen ging, sah man die Farben des Favoriten bereits an den Spitze.

Christophe Soumillon, der sich im Vorfeld des Rennens sehr lange mit Sea The Moons bis Hamburg ständigem Reiter Andreas Helfenbein unterhalten hatte, wollte sich offenbar auf nichts, aber auch gar nichts einlassen. Im letzten Bogen führte also unverändert Sea The Moon vor Wild Chief und Lucky Lion, dahinter war eine ganze Schar von Pferden bereits offenkundig in Nöten. Wie Karltheodor, Swacadelic, Geoffrey Chaucer, der aus England angereiste und wie Geoffrey Chaucer nachgenannte Pinzolo, oder Giant’s Cauldron und Amazonit. Auch Magic Artist kam nicht mehr weiter. Speedy Approach ging noch gut, auch Eric galoppierte noch vielversprechend.

Die Schrecksekunde

Als das Feld aus dem Horner Bogen heraus in den Einlauf bog, stockte den 20.000 Besuchern kurz der Atem. Sea The Moon tendierte über die Breite der Bahn weg zur Außenseite bis an die Rails. Ausgebrochen? Das TV-Bild – es war im Derby eine sehr gewöhnungsbedürftige Kameraeinstellung – hatte Sea The Moon kurz darauf förmlich aus dem Bild verloren. Als der Derby-Favorit einige Sekunden später wieder von der Kamera eingefangen war, stand der Sieger bereits fest: Sea The Moon.

Auch wenn man die Perspektive ad hoc nicht so schnell einzustufen vermochte, nur an der Haltung von Christophe Soumillon war zu erkennen, wie hochüberlegen der Sea The Stars-Sohn war. Die Uhr blieb bei 2:29,8 Minuten stehen, obschon sein Steuermann bereits dreihundert Meter vor dem Ziel alle Aktivitäten einstellte. Keine Spitzenzeit, aber viele, viele Derbys wurden entschieden langsamer gelaufen. Seit Schiaparelli 2006 war es der erste Favoritensieg im Derby.

Lucky Lion verteidigte den zweiten Platz sehr souverän, der Kronprinz im Jahrgang ist Gestüt Winterhauchs von Andreas Löwe trainierter Hengst an jeder Ecke. Auch hat er bewiesen, dass er stehen kann. Mit großen Reserven steigerte sich Open your Heart auf den dritten Platz, eine fantastische Leistung des Karlshofers. „Wir sind natürlich überglücklich. Die Taktik hat Mirco Demuro sensationell umgesetzt. Er bekommt jetzt eine Pause und soll in Baden-Baden wieder an den Start kommen. Hauptziel könnte der Preis von Europa sein“, so Holger Faust. Auch der zum Kreis der Außenseiter zählende Eric hielt sich großartig, dichtauf kamen Wild Chief und Speedy Approach über die Linie. Auch ihnen muss man ein gutes Zeugnis ausstellen. Madurai bildete das Bindeglied zum Mitteltreffen.

(08.07.2014)